Gedenken in Japan

Wie wird in Japan mit der Katastrophe umgegangen ?

(Di. 13-03-2018/Di) Nach dem SuperGAU in Fukushima kam es 2011 in Japan zu einer bis dato kaum vor­stell­baren Bewegung gegen Atomenergie. Was ist daraus geworden ? In den deutschen Medien, die zum 7. Jahrestag pflicht­schuldig an die Katastrophe erinnerten, war darüber nichts zu finden. Darum haben wir selber recherchiert.

Das offizielle Gedenken in Japan bezieht sich auf die „Dreifach-Katastrophe“, Erdbeben, Tsunami und Super-Gau. Eine landesweite Gedenkminute fand am 11. März um 14.46 Uhr statt, dem Zeitpunkt des Bebens, dass die Katastrophe auslöste und damit nichts, wofür man die Regierung verantwortlich machen könnte. So versprach Premieminister Shinzo Abe bei einer Gedenkzeremonie mit Prinz Fumihito, dessen Frau und 870 Betroffenen in Tokyo, Japan vor Naturkatastro­phen zu schützen. An Atomenergie hält er weiter fest und betreibt die Wiederinbetriebnahme der seit 2011 stillstehenden Reaktoren und die Rückkehr Evakuierter in die nach wie vor belastete Region um Fukushima. Denn wenn die Weltöffentlichkeit zu den Olympischen Spielen 2020 in Japan zu Besuch ist, soll alles wieder hübsch aussehen und in der Präfektur Fukushima sollen dann sogar olympische Turniere in Baseball und Softball stattfinden. Brave new World. Nach der durch die Katastrophe erzwungene Binnenorientierung will die japanische Regierung zurück auf der Welt-Markt-Macht-Bühne.


Dabei ist die Mehrheit der Bevölkerung in Japan gegen Atomenergie, wie die Zeitung Asahi Shimbun im Februar 2018 in der Präfektur Fukushima ermittelte: Auf die Frage, ob sich die An­woh­ner sorgen würden, antwor­teten 66 Prozent der Be­fragten mit „sehr“ (21%) oder „einigermaßen“ (45%). 75 Prozent der Befragten er­klärten, sie seien gegen eine Wieder­inbetriebnahme von Atomkraftwerken, 11 Prozent dafür. Auf die gleiche Frage antworteten lan­desweit 61 Prozent sie seien dagegen, 27 Prozent dafür. Natürlich ist das nur ein Meinungsbild und wir wissen, dass auch in Deutschland spätestens seit Tschernobyl 1986 Atomkraftwer­ke gegen die öffentliche Mehrheitsmeinung betrieben wurden. Handfeste Wirkung zeigt die gesellschaftliche Ablehnung der Atom­energie im örtlichen Widerstand gegen die Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken. Dass derzeit nur drei von einstmals 54 Reaktorblöcken in Betrieb sind, wie der Statusbericht auf www.antiatom-fuku.de zeigt, ist Folge heftiger örtlicher Proteste, kommunaler Widersprüche und Klagen gegen die Wiederinbetrieb­nahme. In absoluten Zahlen kann also zumindest zur Zeit keine Rede davon sein, dass Deutschland wegen seines Ausstiegsbeschluss weiter sei als Japan mit einer Pro-Atom-Regierung. Und auch was den Erfolg der Bewegung an die Standorten anbelangt, geht der Punkt eindeutig an Japan. Hinzu kommt: Viele Menschen in Japan ringen seit der Katastrophe um die nackte Existenz: Das gilt nicht nur für die offiziell Evakuierten, sondern gerade auch für die, die sich gegen den Willen der Regierung selbst evakuiert haben, insbesondere um ihre Kinder in Sicherheit zu bringen.

Twitter-Fotos: Tokio-Demo am 11.03.2018
Twitter-Fotos: Tokio-Demo am 11.03.2018

Die Medien lieben die Opfer und so ist es selbst in japanischen Medien nicht ganz leicht, Berichte über Fukushima-Proteste in Japan zu finden. Aber es gab sie durchaus. Die atomenergiekritische Tokio Shimbun berichtet u.a. von einer Bürgerversammlung für Atommausstieg im Nakahara Heiwa Park in der Stadt Kawasaki eine mit anschließendem Demonstrationszug statt, an der 1.100 Menschen teilnahmen, die Mainichi Shimbun berichtet von 200 Menschen, die in der Stadt Kochi demonstrierten. In Tokyo organisierte die Metropolitan Coalition Against Nukes, die nach wie vor jeden Freitag vor dem Büro des Premierministers für Atomausstieg protestiert, eine Kundgebung nahe der Nationalversammlung. Die etwa 5.000 Teilnehmer forderten: „Der Fukushima-Unfall darf nicht vergessen werden“, „Stoppt die Atomkraft.“  Vor dem Haupttor der National­ver­sammlung, erklärte Kaoru Suzuki von der Eltern-Bürgermessstelle Iwaki, einem Gebiet in der Präfektur Fukushima: „Die Sorge um Geist und Körper unserer Kinder dauert an. Strom ist notwendig, Atomkraft nicht“. Außerdem sprachen Vertreter der Oppositionsparteien, so die Tokio Shimbun. Für den 21.03. ist eine weitere Kundgebung von Sayonara Nukes im Yoyogi Park in Tokio geplant, ebenfalls mit pro­mi­nen­ten Rednern und Ansprachen von Betroffenen, Evakuierten und AKW-Arbeitern, gefolgt von einem Demonstrationszug.

Quelle: [Fukushima: Eine anhaltende Atomkatastrophe] [Trauer und Protest in Japan] auf www.juliane-dickel.de. Juliane Dickel ist Japanologin und freie Journalistin in Berlin.

Kommentar

Der japanischen Anti-AKW-Bewegung geht es nicht anders als der deutschen. Beide werden als politische Kraft kaum noch wahrgenommen.In beiden Ländern konzentriert sich die Auseinandersetzung auf die Standorte, in Japan vital und bis jetzt sehr erfolgreich, in Deutschland routiniert, sehr technisch und verfahrensorientiert. „Man soll den Vorsatz nicht für die Tat nehmen“ überschrieb einst Gerhard Schröder ein Papier zum Atomausstieg für das SPD-Präsidium. Beides gilt uneingeschränkt für den deutschen Ausstiegsbeschluss und den bis jetzt wenig erfolgreichen Wiedereinstieg in Japan.                                                                   Peter Dickel

 

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"Zwischen Trauer und mühsamer Normalität"